Der (mittlerweile) 27-jährige Betriebsrat machte mehr als deutlich, dass auch bei der IG Metall ohne zielgerichtete Jugendarbeit und ohne einen erweiterten Einfluss junger Menschen auf die Entscheidungen der Gewerkschaft eine erfolgreiche Zukunft, gelinde gesagt fragwürdig sein wird.
Vom anstehenden und notwendigen Generationenwechsel war die Rede, von vielen Stellhebeln, die noch bewegt werden müssen, von „Silberrücken“, die bald aus den Ämtern ausscheiden werden und von der Bedeutung der gewerkschaftlichen Jugendarbeit, die folgerichtig einflussreicher werden sollte.
Mit dem Zusatz eines Adverbs gab Denis Davidovac dem Motto des Gewerkschaftstages für die Belange der Metaller-Jugend zudem einen erweiterten Sinn: Aus „Zeit für Zukunft“ machte er „jetzt ist Zeit für die Zukunft“ – eingängig und richtungsweisend. Nicht mehr und nicht weniger!
Was ist das für ein Typ, der sich als junger Mensch derart vehement für die Zukunft der IG Metall einsetzt? Was motiviert einen wie Denis, sich sozial und politisch einzusetzen? Woher kommt er, was hat er gelernt, wohin will er? Und welche Zukunft sieht er auch für sich persönlich und andere, die vielleicht mit einem ähnlichen Weg liebäugeln, in den Betrieben und in der größten Gewerkschaft Deutschlands?
Unser Gespräch mit Denis Davidovac gibt Antworten.
Die Weichen gestellt
IG Metall Gaggenau: Denis, gib uns und unseren Lesern bitte eine Art „grundlegenden Einblick“ in Deinen bisherigen beruflichen und ehrenamtlichen Werdegang – als „Basis“ für alles Weitere.
Denis Davidovac: Ich habe im September 2015 meine Ausbildung zum Mechatroniker bei Mercedes-Benz Gaggenau begonnen. Gegen Jahresende sprach mich einer meiner Ausbildungskollegen auf die IG Metall-Jugend an, schlug vor, ich solle doch mal beim Ortsjugendausschuss hier in Gaggenau vorbeischauen, es habe sich dort eine sympathische Gruppe gebildet und es gebe schließlich viel zu besprechen und diskutieren, gerade was den sozialen Bereich unserer Ausbildungen betrifft.
Zuerst war ich, offen gesagt, skeptisch, kannte dort schließlich niemand außer den einen Kollegen. Doch irgendwann saß ich zum ersten Mal in der Geschäftsstelle der hiesigen IG Metall.
IG Metall Gaggenau: Und die dort diskutierten Themen haben Dich gleich angesprochen?
Denis Davidovac: Zunächst habe ich überhaupt nichts kapiert. Was mich aber zum Wiederkommen motivierte, war der herzliche Umgang untereinander. Ich wurde sehr gut aufgenommen, fühlte mich gleich als Teil der Gemeinschaft.
Bald darauf habe ich mich für die im Ortsjugendausschuss besprochenen und behandelten Themen wirklich interessiert, brachte mich mehr und mehr ein – die Weichen zum Bleiben und Engagieren waren gestellt. 2018 wurde ich schon ins Leitungsteam des Ortsjugendausschusses gewählt.
IG Metall Gaggenau: Nur so zum Verständnis für alle, die (noch) nicht mit dem Ablauf in Jugend-Ausschüssen einer Gewerkschaft vertraut sind: Wie oft trifft man sich? Nimmt so etwas die gesamte Freizeit in Anspruch?
Denis Davidovac: Aber nein, der Gaggenauer Ortsjugendausschuss trifft sich einmal im Monat, ca. zehnmal im Jahr. Es bleibt also genügend Zeit für alles, was man so als junger Mensch sonst noch erleben will. Die besprochenen Themen sind abwechslungsreich: Was geschieht derzeit in der vermeintlich „großen“ Politik, wie geht es regional weiter, was passiert in den Betrieben. Wir tauschen untereinander Erfahrungen aus: In dem einen Betrieb macht ein bestimmtes Thema Sorgen, im anderen hatte man für einen ähnlich gearteten Fall längst Lösungen gefunden – es geht eben viel ums „Miteinander“. Das macht sich auch im Umgang untereinander bemerkbar: Im Ortsjugendausschuss machen wir nicht langweilig einen auf „Sitzung“, sondern es geht locker zu.
„Man kann etwas bewegen!“
IG Metall Gaggenau: Okay, über Politik und Betriebliches könnte man theoretisch auch am Stammtisch in einer x-beliebigen Kneipe reden. Was motivierte Dich im Besonderen, immer wieder mitzumachen?
Denis Davidovac: Man kann etwas bewegen! Oder es zumindest mit guten Chancen auf Realisierung versuchen. Was in der Kneipe nicht unbedingt der Fall ist.
Das mit dem „Bewegen“ kam bei mir vor allem in der Zeit, als ich mich in die JAV, also die Jugend- und Auszubildendenvertretung im Betrieb wählen ließ. Leuten tatsächlich helfen zu können – das war meine Initialzündung für alles weitere Engagement.
IG Metall Gaggenau: Und nach der Wahl in den JAV wurdest Du dann mit Arbeit überschüttet, oder?
Denis Davidovac: Nein, das kann man nun wirklich nicht sagen. Wir trafen uns so ca. alle zwei Wochen, gingen unsere Themen durch, was wir machen können, wir schnürten unsere Arbeitspakete und arbeiten an Projekten weiter.
IG Metall Gaggenau: Wie lange warst Du dann in der JAV aktiv?
Denis Davidovac: Ich bin zweimal wiedergewählt worden, also sechs Jahre. In dieser Zeit bin ich einmal bei einer Wahl zum zweiten JAV-Vorsitzenden gescheitert – was mich offen gesagt richtig enttäuscht hatte, aber solche Rückschläge gehören auch dazu. Nachdem ich dann beim zweiten Anlauf doch auf den Posten gewählt wurde, habe ich schließlich den Job als ersten JAV-Vorsitzenden von meinem Vorgänger, der wiederum altersbedingt ausschied, übernommen.
IG Metall Gaggenau: Das war ein tiefer Einschnitt in Dein Berufsleben, oder? Schließlich wurdest Du ab sofort freigestellt.
Denis Davidovac: Stimmt. Ich war vorher in der Instandhaltung aktiv, eine Arbeit, die ich richtig gerne gemacht habe. Und als stellvertretender JAV-Vorsitzender war das ein schwieriger Spagat zwischen Arbeit und Ehrenamt. Als freigestellter Vorsitzender konnte ich ein wenig aufatmen, was die zeitliche Einteilung anbelangt.
„Sich für andere einsetzen.“
IG Metall Gaggenau: Lass uns nochmals auf Deine Motivation zurückkommen. Muss man in so einem Amt, gerade als junger Mensch, nicht einen Teil von sich aufgeben? Man stellt sich ja in den Dienst der Allgemeinheit.
Denis Davidovac: Das stimmt, in manchen Gremien kann man nun wirklich nicht immer das durchsetzen, was man eigentlich möchte. Aber ansonsten würde ich das nicht „aufgeben“ nennen, sondern eher ein „sich für andere einsetzen“. Auch wenn das eine das andere nicht ausschließt.
Ich habe hier so etwas wie eine Erfüllung gefunden, obwohl oder weil ich in vielen Bereichen noch lernen musste. Das waren die Zeiten, in denen ich vom Know-how bei der IG Metall enorm profitieren konnte.
Überhaupt ging es in der Gewerkschaft gut voran für mich. 2019 war ich bereits im Leitungsteam des Bezirksjugendausschusses, kurz darauf auf bundesweiter Ebene im Jugendausschuss beim Vorstand aktiv.
IG Metall Gaggenau: Das ging ja schnell mit dem „Aufstieg“. Wie hast Du das denn geschafft, muss man da Ellenbogen einsetzen, wie das etwa in der freien Marktwirtschaft so Usus ist?
Denis Davidovac: Nein, ich habe noch nie erlebt, dass einer Ellenbogen einsetzen musste. Im Gegenteil, das läuft irgendwie ganz von selbst – der einzige treibende Faktor ist dabei die fortwährende Bereitschaft zum Einsatz für andere. Soziales Engagement in vielerlei Hinsicht ist der Schlüssel!
IG Metall Gaggenau: Bleiben wir auf Bundesebene: Seid Ihr jungen Metaller da tatsächlich an den „großen“ Entscheidungen beteiligt?
Denis Davidovac: Im gewissen Sinne schon. Natürlich kümmern wir uns in erster Linie um Themenbereiche, die uns Junge betreffen. Wie etwa „was brauchen die einzelnen Bezirke, um korrekte Ausbildungen durchzusetzen“. Oder vor Tarifverhandlungen: „Was können wir für die jungen Arbeitnehmer erreichen?“ Aber wir klopfen durchaus auch im IG Metall-Vorstand an, nach dem Motto: „Wir hätten da mal was…!“
Auch an großen Entscheidungen beteiligt
IG Metall Gaggenau: Dein persönliches Highlight aus dieser Zeit im Bundesjugendausschuss?
Denis Davidovac: Da muss ich nicht lange überlegen: Wir haben eine Tarifresolution zum Thema „Dual Studierende“ erstellt. Das war in Baden-Württemberg ohnehin schon ein großes Thema und wir haben es geschafft, die anderen Bezirke ebenfalls mit „ins Boot“ zu holen. Aber dann kam Corona.
Und in vielen der zuvor von uns überzeugten Bezirken gab es nun wichtigere Themen, Stichwort: „Übernahme nach der Ausbildung“. Allein der Fakt, ein derartiges Thema bis ins Detail auszuarbeiten, auf bundesweiter Ebene einzubringen und die Unterstützung von nahezu allen Seiten zu bekommen – das war die ganze Arbeit wert!
IG Metall Gaggenau: In Baden-Württemberg ist daraus ja ein Manteltarifvertrag geworden.
Denis Davidovac: Stimmt, damit können wir sehr zufrieden sein, wenn es auch noch ein paar „Stellschrauben“ gibt, an denen wir drehen müssen.
IG Metall Gaggenau: Du kannst den nächsten Punkt erahnen, den wir hier ansprechen wollen: das Alter! Denn irgendwann ist es auch mit der Jugend im gewerkschaftlichen Sinne vorbei.
Denis Davidovac: Mit 27 Jahren, genauer gesagt. Und die habe ich im Sommer erreicht, bin somit raus aus den „jungen Ausschüssen“. Also habe ich einen für mich logischen Schritt gemacht und mich zur Betriebsratswahl aufstellen lassen. Als JAVi war ich nicht mehr gefragt, also werde ich Betriebsrat, warum nicht?
IG Metall Gaggenau: Betriebsratswahl – wie bereitet man sich als junger Mensch darauf vor? Hast du im Vorfeld in Deinem Umfeld die Werbetrommel gerührt, nach Deinen Chancen abgeklopft?
Denis Davidovac: Gegenfrage: Geht das überhaupt? Das ist ja kein Wahlkampf im klassischen Sinne. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass man durch gute Arbeit auffällt und sich so entsprechend in Szene setzen kann. Und, klar, so konnte ich für die Wahl eher auf junge Menschen im Betrieb zählen.
Der logische Schritt
IG Metall Gaggenau: Wir können es gleich auf den Punkt bringen: Die Wahl war erfolgreich für Dich, Du bist freigestellter Betriebsrat bei Daimler Truck in Gaggenau – also Vorhang auf für einen Denis Davidovac, der im sozialen Engagement eine große Zukunft sieht?
Denis Davidovac: Ja und nein. Ich möchte mich da nicht so in den Vordergrund stellen. Und als Betriebsrat bin ich ja einer von vielen.
IG Metall Gaggenau: Aber als Vertreter des Jugendausschusses am Gewerkschaftstag zu sprechen, das ist schon „ein Pfund“ und auch eine große Wertschätzung des Ausschusses – obwohl Du im Sommer 27 Jahre alt wurdest, konntest Du noch für die Jugend sprechen, weil der Zeitraum zählte, als Du zum Sprecher gewählt wurdest.
Denis Davidovac: Stimmt, das war eine große Ehre für mich. Zumal ich u.a. über eines meiner Lieblingsthemen sprechen konnte: Das Machtgefüge innerhalb der IG Metall und die Notwendigkeit, den Jungen mehr Mitspracherecht einzuräumen.
Meine Rede sollte übrigens nicht als Kritik verstanden werden, sondern als Lösungsvorschlag. Unsere Jugendarbeit wird innerhalb der IG Metall gut unterstützt. Wir haben nur in manchen Ecken und Enden der Republik gewisse Probleme, brauchen mehr Menschen – nicht nur junge – in den Betrieben, die sich für andere einsetzen. Da muss viel mehr geschehen. Eben weil „JETZT die Zeit für Zukunft“ ist. Und nicht erst übermorgen.
Die Menschen sollen endlich wieder zufrieden sein
IG Metall Gaggenau: Und wie soll das am besten funktionieren?
Denis Davidovac: Mit einer Rundmail motiviert man heute jedenfalls keinen mehr. Ich nehme mir gerne meinen Eintritt in die IG Metall zum Vorbild: Eins-zu-Eins-Gespräche, die gute alte klassische persönliche Note, gezielte direkte Ansprache! „Hey Kollege, ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass…“. So habe ich schon einige Kollegen und Kolleginnen in den Ortsjugendausschuss gebracht. Die dann alle geblieben sind.
IG Metall Gaggenau: Also direkte Ansprache als Türöffner für Soziales Engagement, Back to the Roots. Gehen wir davon aus, dass dies funktionieren kann und wird, stellen wir uns vor, gewisse Nachwuchsprobleme sind gelöst – wie sieht Deine Vision für eine IG Metall in zehn Jahren aus?
Denis Davidovac: Ich möchte das Thema etwas von der IG Metall lösen, obwohl ich weiß, dass unsere Gewerkschaft einen gewissen Einfluss darauf haben wird: Ich möchte, dass die Menschen zufriedener werden.
Diese Nörgeleien zu allen möglichen Themen, dieses grundsätzlich dagegen sein, ohne Lösungsvorschläge zu haben – mir kommt es vor, als sei dies zu einer Art Sport in unserer Gesellschaft herangewachsen. Es ist natürlich eine Art, seine Unzufriedenheit auszudrücken, ich weiß das.
Die IG Metall kann hier maßgeblich beeinflussen. Wir sind ein großer Player in der Politik, wir können viel für die Zufriedenheit der Menschen tun, vor allem durch gute, gewerkschaftliche Arbeit in den Betrieben.
Klimawandel und Transformation
Doch es gibt noch einige weitere Themen, die für mich persönlich in den Bereich Vision fallen. Stichwort Rente – heutzutage kommt man selbst als korrekt bezahlter Arbeitnehmer ohne persönliche Rücklagen als Rentner kaum noch über die Runden. Und die Zukunft sieht da nicht gerade rosiger aus.
Last, not least das Thema Klimawandel und die notwendige Reaktion der Betriebe. Wobei wir etwa bei Daimler Truck in Gaggenau schon gut vorangekommen sind, die Planungen sind teilweise sehr weit, Maschinen für die Transformation sind zu einem Teil bereits geliefert, es passiert viel.
IG Metall Gaggenau: Folgt die Gretchen- oder besser gesagt „Greta-Frage“, gestellt an einen jungen, engagierten Menschen: Ist die IG Metall grün genug?
Denis Davidovac: Ideologisch ja, in Bezug auf faktisches Handeln noch nicht. Wir sind aber auf einem guten Weg, haben die Pläne, haben begonnen, umzusetzen. 100 Prozent klimaneutral sind wir nicht – das fängt schon an mit dem Thema „wie komme ich zum nächsten Seminar?“.
Ist die IG Metall grün genug?
IG Metall Gaggenau: Und wie sieht es Deines Erachtens mit der „grünen Einflussnahme“ der IG Metall in den Betrieben aus? Ähnlich lobenswert?
Denis Davidovac: Jain. Wir haben zwar gute Rahmenbedingungen geschaffen, wie etwa Zukunftstarifverträge. Viele Betriebe müssen oder müssten umgebaut werden, gerade solche, die direkt am Verbrennungsmotor hängen. Wir als IG Metall haben das planerische und soziale „Handwerkszeug“ in der Hand und haben es bereits an die Betriebe weitergegeben. Aber bei der Realisierung spielt natürlich der Arbeitgeber seine Rolle. Kurz, wir sind zwar gut unterwegs, aber der Prozess einer Transformation wird noch eine Weile dauern. Wir werden mit Sicherheit in ein paar Jahren noch einige „Baustellen“ haben, an denen wir basteln müssen.
IG Metall Gaggenau: Die berühmte „allerletzte“ Frage: Wie siehst Du persönlich der Zukunft entgegen?
Denis Davidovac: Auch wenn ich einige Themen habe, die mir Grummeln im Bauch verursachen wie etwa Rente und die mangelhafte Nachfrage bei ausgeschriebenen Ausbildungsplätzen in der Industrie und im Handwerk, sehe ich der Zukunft gelassen entgegen. Ja, doch, „gelassen“ ist das richtige Wort.
IG Metall Gaggenau: Und wie sieht deine persönliche Entwicklung aus? Wohin geht die Reise?
Denis Davidovac: Ich werde ab 2024 Bezirksjugendsekretär der IG Metall Baden-Württemberg sein. Ich freue mich auf die große Herausforderung, aber auch auf viele spannende Themen. Aus meinen Erfahrungen aus der Ausbildung, über meine JAV-Tätigkeit, Betriebsrat und alles Gremien, denen ich angehörte, kann ich vieles mitnehmen und in meine Arbeit einbringen. Ganz unter dem persönlichen Motto „Jetzt ist Zeit für die Zukunft“.
IG Metall Gaggenau: Merci Denis für diesen Einblick in die Welt eines jungen Metallers. Und alles Gute für die Zukunft – Deine ganz persönliche und die aller jungen Gewerkschafter!